1990 – 1999

EinfĂĽhrung in die Dekade

In der Dekade der 1980er-Jahre ringen die Alsterdorfer Anstalten darum, als diakonischer Träger die Missstände einer „totalen Institution“ kritisch anzugehen. Trotz institutioneller, gesellschaftlich und wirtschaftlich denkbar schwieriger Rahmenbedingungen leitete die Stiftung erste unumkehrbare Veränderungen ein. Diese Reformmaßnahmen mündeten zum Ende der Dekade in das Konzept einer Regionalisierung der Wohnangebote.

Die Dekade der 1990er-Jahre ist von wirtschaftlicher Rezession und unternehmerischer Misswirtschaft geprägt und führt die inzwischen in „Evangelische Stiftung Alsterdorf“ umbenannte Institution an den Rand ihrer unternehmerischen Existenz.

Zu den einzelnen Jahren:

Die bundesdeutsche Entwicklung der Eingliederungshilfe-Leistungen folgt in den 1990er-Jahren dem Paradigma der Selbstbestimmung für Menschen mit Behinderung. Im Jahr 1992 kommt es zu einer grundlegenden Veränderung im Betreuungsrecht durch das „Gesetz zur Reform des Rechts der Vormundschaft und Pflegschaft für Volljährige“. Es gibt kein Nebeneinander mehr von Vormundschaft und Pflege. Stattdessen erhält der Mensch mit Behinderung einen gesetzlichen Betreuer, bleibt aber voll geschäftsfähig, wird also nicht entrechtet. Das Selbstbestimmungsrecht hat in der Betreuungssituation den Vorrang und mündet 1994 in einer weiteren gesetzlichen Regelung. Das Grundgesetz Artikel 3 Absatz 3 verbietet die Benachteiligung von Menschen mit Behinderung.

(vgl. Lebenshilfe e. V. [Hg.], www.lebenshilfe.de/ueber-uns/geschichte-der-lebenshilfe/die-1990er-jahre/ Abruf 20.11.2022)

In den Jahren der wirtschaftlichen Sanierung vollzieht sich die Umsetzung des neuen Paradigmas in der Evangelischen Stiftung Alsterdorf zunächst nur rudimentär und zögerlich.

Erst Mitte der 1990er-Jahre, nach erfolgreich verlaufener wirtschaftlicher Sanierung, kann die Eingliederungshilfe der Stiftung mit einer klaren Hinwendung zu den Konzepten von „community care“ konzeptionell und fachlich den Anschluss an die bundesdeutschen Entwicklungen finden. Studienreisen in die USA und lebendige Partnerschaften mit ausländischen Organisationen, wie z. B. Stichting Prisma in den Niederlanden, eröffnen einen neuen, erweiterten Horizont und sichern den fachlich-konzeptionellen Anschluss der Stiftung Alsterdorf an gesamtdeutsche Entwicklungen im Bereich der Behindertenhilfe.

(vgl. Maas, Theodorus 2007, Vortrag in Bad Nenndorf, ArESA Hist. Slg. 61)

So gelingt der Evangelischen Stiftung Alsterdorf der Einstieg in einen notwendigen und tiefgreifenden Change-Prozess, der die weiteren Dekaden maßgeblich prägen wird.