März 1993
Hermann Scheile – neues Vorstandsmitglied für den Behindertenbereich
Hermann Scheile, bisher pädagogischer Leiter der Region West, gibt dem Umbruch ein Interview. Angesichts der notwendigen Veränderungen, die anstehen, aber auch angesichts härter werdender sozialpolitischer Rahmenbedingungen wünscht er sich ein Klima kritischer und reflektierter Loyalität. Dies im Bewusstsein, wie stark Traditionen wirken. Seine offensive Informationspolitik will er beibehalten.
RĂĽcktritt der Mitarbeitervertretung
Mit Wirkung zum 4. März 1993 tritt die Mitarbeitervertretung laut Mehrheitsbeschluss vom 1. März 1993 zurück. Am 24. März 1993 findet auf Initiative des Vorstands eine Mitarbeiterversammlung zur Wahl eines Wahlvorstandes statt. Dessen Aufgabe ist es, einerseits die Wahl einer neuen MAV ordnungsgemäß vorzubereiten und andererseits entsprechend der Mitarbeitervertretungsordnung (MVO) die Aufgaben einer MAV bis zur Neuwahl zu übernehmen.
April 1993
Pastor Baumbach wird Nachfolger von Rudi Mondry und neuer Vorstandsvorsitzender
Am 22. April 1993 wird Pastor Rolf Baumbach anlässlich seiner Bestellung zum Direktor und Vorstandsvorsitzenden der Evangelischen Stiftung Alsterdorf in einem Fürbitten- und Segensgottesdienst in der St. Nicolaus-Kirche von der Bischöfin Maria Jepsen eingesegnet und feierlich in sein Amt eingeführt.
Budgetierung aller Teilbereiche der Stiftung
Die vom Vorstand am 1. Dezember 1992 beschlossene Budgetierung aller Alsterdorfer Leistungsbereiche wird in die Tat umgesetzt. In einem Begleitschreiben zu diesem Beschluss gibt der Vorstand einige Erläuterungen dazu:
Notiz: Das Budgetierungspaket, erarbeitet von einer eigens dafür eingerichteten Arbeitsgruppe, ist vom Vorstand am 16. März verabschiedet und anschließend der Konferenz Leitender Mitarbeiter vorgestellt worden, die seine Praxisnähe und seinen Nutzen lobten.
Der Vorstand appelliert an eine neue Streitkultur
In einem kurzen Informationsschreiben an die Mitarbeiterschaft der Stiftung kritisiert der Vorstand das gehäufte Auftauchen von anonymen Flugblättern und Veröffentlichungen. Darüber hinaus wirft er der ÖTV-Betriebsgruppe und dem sog. Kollegenkreis nicht gerechtfertigte Unterstellungen und Pauschal-Urteile vor. Der Vorstand verweist auf die notwendige Entwicklung einer Streitkultur, um den Frieden in der Stiftung zu fördern und offene Dialoge führen zu können. Zugleich kündigt er den nächsten Termin für das Format Gespräch mit dem Vorstand für Ende April / Anfang Mai an.
Kosteneinsparung und strukturelle Änderungen – die Sozialbehörde stellt ein Ultimatum
Die Hamburger Sozialbehörde BAGS verlangt vom Vorstand der Stiftung konkrete Vorschläge zur Kosteneinsparung und zu strukturellen Änderungen im Behindertenbereich HPA (Heilerziehungs-, Heil- und Pflegeanstalt) und ZVV (Zentrale Verwaltung und Versorgung) und setzt das Ultimatum auf den 10. Juni 1993 fest. Der für das Jahr 1992 abgeschlossene Pflegesatz hat die realen Kosten nicht abgedeckt.
Die BAGS behält sich dennoch vor, angesichts der schwierigen Haushaltslage in Hamburg den Pflegesatz vom vergangenen Jahr fortzuschreiben. Der Vorstand beschließt, frei werdende Stellen im HPA/ZVV-Bereich zunächst nicht nachzubesetzen. Darüber hinaus veranlasst er die Bildung einer Arbeitsgruppe, die Vorschläge erarbeiten soll, wie im laufenden Geschäftsjahr 6,9 Mio. DM in den o. g. Bereichen eingespart werden können.
Mai 1993
Neue Geschäftsverteilung im Vorstand
Auf seiner Klausurtagung am 10. und 11. Mai 1993 beschließt der Vorstand eine neue Geschäftsverteilung:
- Direktor und Vorstandsvorsitzender: Pastor Baumbach
- Vorstand Finanzen / stellv. Vorstandsvorsitzender: Peter Buschmann
- Vorstand Behindertenhilfe: Hermann Scheile
- Vorstand Personal: Wolfgang Kraft
Juni 1993
Vorstellung der Einsparungspläne auf der Mitarbeiterversammlung
Im voll besetzten Herntrichsaal, dem größten Versammlungssaal auf dem ESA-Gelände, stellt Wolfgang Kraft die Vorschläge zu den Einsparungsplänen vor:
- Die Einsparungen betreffen Handwerks- und Servicebetriebe: Polsterei, Tischlerei, Näherei, Maurerei, die Frisierstube und das Kaufhaus im Carl-Koops-Haus.
- Die Vorschläge werden mit der Mitarbeitervertretung und der Behörde diskutiert.
- Aktuell sind 97 Stellen im Gespräch, wobei aber nicht ausgeschlossen werden kann, dass mehr Stellen gestrichen werden könnten.
In dieser Diskussion, die von Jens Strampfer, dem MAV-Vorsitzenden, moderiert wird, muss sich der Vorstand heftiger Kritik unterziehen.
Interview mit Dieter Fenker
Vorbereitende Gespräche des Vorstandes mit den ESA-Leitungen für die Verhandlungen mit der BAGS
Auf Einladung von Hermann Scheile findet am 1. und 2. Juni 1993 außerhalb Hamburgs eine Klausurtagung mit vielen Leitungskräften und leitenden Mitarbeiter*innen aus dem Förderbereich und den Wohnregionen statt.
Einen Tag später wir die betriebliche Öffentlichkeit informiert:
(s. alsterdorf aktuell. Der Vorstand informiert Nr. 9/1993, 03.06.1993, ArESA Publikationen, Hamburg)
- „Der Vorstand mißt der Behindertenhilfe der Stiftung eine hohe Priorität zu […]. Für das Gespräch [mit der Sozialbehörde am 10.06.1993] […] gilt auch die Zielsetzung, gute Bedingungen für die behinderten Menschen in Alsterdorf zu erhalten.
- Aufgrund des wirtschaftlichen Abschwungs […] ergreift die öffentliche Hand bundesweit einschneidende Sparmaßnahmen, insbesondere im sozialen Sektor, auch in der Behindertenhilfe der gesamten Bundesrepublik.
- Die Klausur […] diente zur Vorbereitung für das Gespräch des Vorstandes“ [mit der BAGS am10.06.1993].
- Auf der Klausur sind keine Entscheidungen getroffen worden, um größtmöglichen Handlungsspielraum mit der Behörde zu erhalten. Notwendige Entscheidungen werden erst nach dem Gespräch am 10.06.1993 fallen […]. Die Rechte der Mitarbeitervertretung werden in jedem Fall gewahrt.
- Der Vorstand wird umgehend informieren.“
Juli 1993
Vorstand beschlieĂźt die SchlieĂźung mehrerer Betriebe im Bereich der Zentralverwaltung (ZVV)
„Der Vorstand hat entsprechend der MVO [Mitarbeitervertretungsordnung] bei der MAV [Mitarbeitervertretung] im Rahmen ihres Mitwirkungsrechtes um Zustimmung für die beabsichtigten Strukturmaßnahmen gebeten. Es handelt sich […] um die Schließung folgender Betriebe:
(s. alsterdorf aktuell. Der Vorstand informiert Nr. 11/28.07.1993, ArESA Publikationen, Hamburg)
- Zentraler Reinigungsdienst,
- Fuhrpark,
- Tischlerei,
- Maurerei,
- Kaufhaus [im Carl-Koops-Haus],
- Näherei,
- Frisierstube,
- Polsterei,
- Internat [der Kinderpflegerinnen-Schule] […]
- Abbau von 10 Stellen in der Küche [Zentralküche].“
August 1993
Mitarbeitervertretung und Vorstand verhandeln ĂĽber einen Sozialplan
Obwohl es im KAT (Kirchlicher Angestellten Tarif) nicht vorgesehen ist , wie der neue Vorstandsvorsitzende, Pastor Rolf Baumbach, in einem geminsamen Interview mit dem MAV-Vorsitzenden Jens Strampfer berichtet, werden Vorstand und MAV in Verhandlungen eintreten, um einen sozialverträglichen Vorschlag des Vorstands zu Abfindungen und Ausgleich von sozialen Härten für die von der Umstrukturierung betroffenen Mitarbeitenden zu beraten.
Nachdem, begleitet von massiven Protesten der betroffenen Mitarbeiter*innen, der Schlichtungsausschuss, von der Mitarbeitervertretung angerufen, dem Vorstand „die Kompetenz zu strukturellen Entscheidungen“ zubilligte, hofft der Vorstandsvorsitzende, „daß[ss] die Vereinbarung über sozialverträgliche Maßnahmen von der Mitarbeitervertretung angenommen wird und dann können die Entscheidungen umgesetzt werden.“
Der Vorstand ruft zur Fairness auf
Mit dem Appell an die betriebsinterne Öffentlichkeit: „Reden Sie mit uns, aber bleiben Sie fair!“,ruft der Vorstand in den laufenden Auseinandersetzungen vor allem die Mitarbeitenden im Behindertenbereich dazu auf, die Bewohnerinnen und Bewohner nicht für ihre eigenen Interessen zu instrumentalisieren.
September 1993
StrukturbeschlĂĽsse im Bereich Zentrale Verwaltung und Versorgung (ZVV)
Der Vorstand schlieĂźt mit der MAV zu den StrukturbeschlĂĽssen im Bereich Zentrale Verwaltung und Versorgung (ZVV) eine Dienstvereinbarung ab.
November 1993
Strukturveränderungen in der Behindertenhilfe – die Rolle der Abteilung Personal- und Organisationsentwicklung
In einem Brief an den Vorstand der Behindertenhilfe, Hermann Scheile, formuliert die Leiterin der Abteilung Personal- und Organisationsentwicklung (OE/PE), Sigrid Jürgensen, ihre Bedenken zum beabsichtigten Vorgehen des Vorstands, das Thema Strukturveränderungen mit fachlicher Begleitung durch die Abteilung OE/PE in angedachter Form zu bearbeiten. Damit bezieht sie sich auf das vorangehende Treffen mit dem Vorstand vom 9. November 1993.
Sigrid Jürgensen benennt folgende Klärungspunkte:
- Zum bisher geplanten Ablauf des Workshops mit Mitarbeitenden aus der Behindertenhilfe, der im Februar 1994 stattfinden soll:
- Zum eigentlichen Auftrag an die Abteilung OE/PE durch Hermann Scheile:
Sigrid JĂĽrgensen bittet den Vorstand, noch einmal Kontakt zur OE/PE aufzunehmen, die Punkte mit den Mitarbeiter*innen und anschlieĂźend mit der Abteilung OE/PE noch einmal zu ĂĽberdenken.Sie schickt diesen Brief auch zur Kenntnis an ihren Vorgesetzten, den Personalvorstand Wolfgang Kraft.
Dezember 1993
Vorstand wendet sich mit dem Thema „Strukturveränderungen“ erneut an alle Mitarbeitenden
Im Dezember 1993, einen Monat nach dem o. g. Brief, informieren alle vier Vorstände gemeinsam die Mitarbeiterschaft zu Fragen der konkreten Umsetzung der zuvor im Sommer 1993 entschiedenen Strukturveränderungen im Bereich ZVV (Zentrale Verwaltung und Versorgung) und seiner Regie-, Dienstleistungs- und Handwerksbetriebe, die mit deutlichen Auswirkungen vor allem die Wohnbereiche des Zentralgeländes der Behindertenhilfe betreffen.
(s. alsterdorf aktuell. Der Vorstand informiert 14/1993, 02.12.93, ArESA Publikationen, Hamburg)
- „Die im Sommer entschiedenen Strukturveränderungen kommen jetzt in die Phase der Umsetzung und werfen eine Reihe von Fragen auf. In Zukunft möchten wir bei Entscheidungen umgekehrt verfahren: Die praktischen Auswirkungen sollen möglichst vollständig bedacht sein, bevor Beschlüsse gefaßt werden […].
- Grundsätzliches Prinzip wird künftig der Abruf benötigter Leistungen durch externe Anbieter sein, deren Kosten über das zur Verfügung stehende Budget abgewickelt werden […].
- Auf Wunsch beraten und unterstützen Sie die Technische Abteilung, das Maschinenhaus und der Zentraleinkauf bei Vertragsgestaltungen und Auftragsvergaben an Fremdfirmen. […]
- Der Friseursalon wird nicht geschlossen. In diesem Fall korrigieren wir unseren ursprünglichen Beschluß. Offenbar bereitet es vielen Wohngruppen große Schwierigkeiten, für einen Teil ihrer Bewohner angemessene Friseurleistungen auf dem freien Markt zu bekommen. Deshalb wird der Alsterdorfer Friseursalon dem Wohnbereich zugeordnet.“