06 / 1993 – Interview mit Dieter Fenker

Teilnehmende

Dieter Fenker

Hans-Walter Schmuhl

Reinhard Schulz

Nico Kutzner

Transkription

Kutzner: Guten Tag, ich bin Nico Kutzner von 17motion. Ich begrüße Sie zum Interview hier, wenn Sie sich doch bitte vorstellen könnten.

Fenker: Gerne. Mein Name ist Dieter Fenker. Ich war 30 Jahre in der Stiftung Alsterdorf im Personalbereich tätig.

Schmuhl: Mein Name ist Hans-Walter Schmuhl und ich arbeite zusammen mit der Kollegin Ulrike Winkler an der Darstellung der Geschichte der Evangelischen Stiftung Alsterdorf von den Anfängen bis in die Gegenwart hinein.

Kutzner: Wie haben Sie den Umbruch der Evangelischen Stiftung erlebt?

Fenker: Mit gemischten Gefühlen, weil es in der Evangelischen Stiftung Alsterdorf, damals noch die Alsterdorfer Anstalten, hoch herging, als ich anfing. Die Mitarbeiterschaft hat es geschafft, von innen heraus die Veränderung anzustoßen. Mit dem damaligen Vorstand Pastor Schmidt wäre das überhaupt nicht denkbar gewesen. Die Mitarbeiter haben praktisch den Vorstand getrieben, so muss man das sagen. Die Initiative ist in der Mitarbeiterschaft entstanden.

Schulz: Sie kamen, wie Sie schon sagten, 1979 in die Alsterdorfer Anstalten. Mögen Sie sagen, welche bleibenden Eindrücke aus dieser Anfangszeit sich bei Ihnen eingebrannt haben?

Fenker: Heine war damals Personalleiter. Die Stiftung wurde von einem Stiftungsvorstand geleitet, der ehrenamtlich war. Nur Pastor Schmidt, der Direktor, war hauptamtlich.

Als die Nordelbische Kirche gegründet wurde, war Heine bei der Hamburgischen Landeskirche – daher kannten wir uns –, hatte sich beurlauben lassen und fing dann in Alsterdorf nicht als Vorstand, sondern unter Pastor Schmidt als Personalleiter an. Heine hat mich dann geholt, weil er mich aus der Kirchenzeit kannte und meinte, ich könnte ihn bei seiner Arbeit unterstützen, was wohl die richtige Entscheidung war.

Als ich anfing, war Pastor Schmidt – ich kannte ihn aus der Kirchenleitung, weil ich dort häufiger Rede und Antwort stehen musste – gar nicht angetan davon, dass ich nach Alsterdorf kam. Das war Heines Wunsch, der sagte, er bräuchte jemanden, der mit anpackte. Also, wie gesagt, Pastor Schmidt kannte meine Art und war nicht begeistert. Als ich ankam, hatte ich kein eigenes Büro. Die Personalleiterin, meine Vorgängerin, blieb extra noch ein Jahr länger, obwohl ich die Leitung gleich übernehmen sollte. Ich musste feststellen, dass die Personalabteilung praktisch nur Erfüllungsgehilfin war. Die Mitarbeiter hatten überhaupt keine Kompetenzen, nur ganz wenig Erfahrung und waren nicht qualifiziert im Tarif- und Arbeitsrecht, sondern schrieben Briefe, zum Beispiel die Anmeldung zur AOK [Allgemeine Ortskrankenkasse], solche Kleinigkeiten. Da ich wusste, warum Heine – er war mein direkter Vorgesetzter – mich haben wollte, stand ich die Situation durch. Als dann meine Vorgängerin, Frau Hannika, ging, legte ich richtig los.

Schulz: Sie kamen 1979 und in der medialen Auseinandersetzung war gerade das Thema Schlangengruben in der Gesellschaft [ – gemeint ist der Artikel im Zeit-Magazin, der die Wohnbedingungen der Menschen mit Behinderung öffentlich machte].

Fenker: Genau.

Schulz: Wie war das für Sie? Wie haben Sie Ihrem Bekannten- und Freundeskreis erzählt: Da gehe ich jetzt hin und werde Personalleiter?

Fenker: Hätte ich mir vorher alles genau angeguckt, wäre ich gar nicht gekommen! Auch angesichts der Unruhen, der Mitarbeiterversammlungen im Herntrich-Saal und ähnlicher Sachen, dachte ich: Wo bist du hier gelandet? Für Pastor Schmidt waren das alles nur ganz linke Personen [gemeint ist vor allem der Kollegenkreis, der die Zustände in den Alsterdorfer Anstalten öffentlich machte]. Er hat die Situation einfach nicht zur Kenntnis nehmen wollen.

Heine hatte mir sämtliche Bereiche genannt und auch gezeigt: den Wachsaal, wo morgens die Behinderten abgespritzt wurden, da waren 60 Leute und nur die Betten, nichts Persönliches war dort! Heine hatte mir das so gezeigt und ich dachte: Das ist normal! Erst als ich die Äußerungen aus der Mitarbeiterschaft mitkriegte, die ein völlig anderes Bild, eine andere Vorstellung von Behindertenarbeit hatte, wurde ich nachdenklich über das, was in Alsterdorf geschehen war. Die Goldene Krücke, die uns vom Zeit-Magazin verliehen wurde, war auch noch mal ein Signal, Gas zu geben.

Im Stiftungsrat wurden auch nachdenkliche Reaktionen herbeigeführt – Stiftungsvorstand hieß es damals. Die entschuldigten sich immer nach dem Motto: Wir kriegen ja nur von Pastor Schmidt Informationen und werden nicht richtig informiert! Dann, den genauen Zeitpunkt weiß ich nicht mehr, wurde die Satzung geändert. Aus dem Einervorstand wurde ein Dreiervorstand, Heine wurde Personalvorstand, Wittern kam und wurde Finanzvorstand. Und der wollte der Welt nun zeigen, wie man die Stiftung wirtschaftlich führte, aber auch er fand Personal vor, das fachlich überhaupt nicht in der Lage war. Die Leiterin der Finanzbuchhaltung hatte ein kleines Heft. Da standen die wichtigsten Zahlen drin. Das war eine Katastrophe! Da darf man sich nicht wundern, dass Alsterdorf in die wirtschaftliche Bredouille kam. Sowohl im Personalbereich als auch im Finanzbereich war die fachliche Personalausstattung eine Katastrophe, das muss man wirklich so sagen.

Schmuhl: Was würden Sie denn sagen, was waren die größten Probleme im Personalwesen in den frühen 1980er-Jahren, als Sie Ihre Tätigkeit aufnahmen?

Fenker: Es gab nichts! Es gab keinerlei Grundlagen! Die Verträge wurden nach Gutdünken abgeschlossen. Es gab keine Grundlagen! Das waren Fakten! Ich sprach immer – der Leiter der Lohnbuchhaltung, das war so der starke Mann im Personalbereich – vom TTV, dem thaterischen Tarifvertrag [der Leiter des Personalbereiches hieß Thater], weil er es war, der entschied, wie die Leute einzustufen waren.

Meine erste Aufgabe war, für die Personalbemessung Grundlagen zu schaffen, damit man überhaupt wusste, wie viel an Personal in den einzelnen Leistungsbereichen zur Verfügung stand. Das war die erste Aufgabe. Ich machte eine Bestandsaufnahme. Das hing auch damit zusammen, dass der Staat die Pflegesätze nur in dem Umfang genehmigt hatte, wie vergleichbare Mitarbeiter der Freien und Hansestadt Hamburg bezahlt wurden. Da lag es nahe, dass wir vereinbarten, dass in Alsterdorf der Bundesangestelltentarif, der BAT, und der Manteltarifvertrag für die Arbeiter in der jeweils für die Hansestadt Hamburg gültigen Fassung Grundlage aller Arbeitsverträge wurde. Und wir stellten das um.

Das Nächste war, dass die „so überragende“ Verwaltung nicht nur ein dreizehntes, sondern auch ein vierzehntes Gehalt kriegte. Heine war der Erste, der das vierzehnte abschaffte, das nur gewisse Personen bekamen – das dreizehnte war ja durch den Tarifvertrag geregelt. Das vierzehnte Gehalt war ein Unding! Heine hat auch eine neue Mitarbeitervertretungsordnung geschaffen. In diesem Zusammenhang noch einmal ein Beispiel für den damals üblichen Umgang mit der Mitarbeitervertretung: Wenn jemand neu eingestellt wurde, dann deckte die Personalabteilung den Personalfragebogen ab und sagte: Hier müsst ihr unterschreiben und eureZustimmung erklären! Die Information können wir euch wegen Datenschutz nicht geben. Als ich das mitkriegte, bin ich ehrlich gesagt vom Glauben abgefallen. Auch das stellten wir sofort ab und sagten: Die Mitarbeitervertretung kriegt selbstverständlich sämtliche Unterlagen zu sehen! Ich habe richtig neu angefangen und habe alle Mitarbeiterinnen aus dem Personalbereich – das war eine reine Damenriege von, ich glaube, fünf Damen – fachlich im Tarif- und Arbeitsrecht geschult. Die waren auch willens und haben mitgemacht. Das war positiv. Und so konnte ich dann aus Schreibdamen Sachbearbeiterinnen machen. Das waren so die Anfänge.

Schulz: Sie haben also in diesem ganzen Bereich die Basics geschaffen.

Fenker: Im Personalbereich. Der starke Mann war der Verwaltungsdirektor. Wir hatten zwei Direktoren, einmal Pastor Schmidt, der auch Vorstandsdirektor war, und Budnik, der Verwaltungsdirektor war, und der hat nach Gutsherrenart regiert. Das war der starke Mann. Der ließ sich zum Beispiel bei Arbeitsgerichtsprozessen morgens die Kündigungsakte geben, ging zum Arbeitsgericht, verlor natürlich, kam zurück und sagte: Schlecht vorgearbeitet! So ging das. Das Nächste, was Heine sagte, war: Die Gerichtsverhandlungen und Arbeitsprozesse führt Fenker und nicht mehr Budnik! Das war das Erste, was ihm weggenommen wurde. So ist aus kleinen Anfängen etwas Tolles geworden! Zum Schluss habe ich einen tollen Personalbereich gehabt!

Schmuhl: Sie sagten eingangs, es hätte in der Mitarbeiterschaft gegärt, als Sie kamen, und Veränderungsprozesse wären dadurch entstanden, dass die Mitarbeiterschaft den Vorstand vor sich hergetrieben hat. Wie hat sich Ihnen das vermittelt? Wie nah waren Sie der Basis?

Fenker: Also ich kriegte das mit, weil sich ein sogenannter Kollegenkreis bildete, sodass die Kritik öffentlich wurde, denn Pastor Schmidt wollte keine interne Kritik. Er war es, der die Kritik praktisch nach außen getrieben hat. Anstatt den Streit intern zu führen, mit den Mitarbeitern in Dialog zu kommen und auch die Möglichkeiten dafür zu geben, verhängte er einen Maulkorb. Und was machten die Kollegen? Sie gingen nach außerhalb und informierten die Öffentlichkeit. So kam es auch dazu, dass wir die Goldene Krücke erhielten. Mitarbeiter gaben die Informationen weiter, die sie in der täglichen Arbeit vorfanden.

Heine war auch der Erste, der dafür sorgte, dass die Heilerzieher, die neu in Alsterdorf ausgebildet wurden, nicht einzeln auf die Station gingen, sondern gleich in Gruppen. Er sagte: Einer allein wird von den Pflegekräften – die trugen alle damals weiße Kittel – untergebuttert. Furchtbar! Weihnachten wurde Anfang Dezember gefeiert. Ich bin auch mal mitgegangen mit Pastor Lampe und habe Weihnachtslieder schon Anfang Dezember gesungen und Weihnachtsgeschenke verteilt. Furchtbar! Und die [neuen Heilerzieher] sagten: Auch die behinderten Menschen haben Anspruch darauf, am 24. zu feiern wie jeder andere. Dann hätten die Mitarbeiter natürlich zur Arbeit kommen müssen, aber das wollten sie nicht. Die Heilerzieher, die zu dritt auf die Gruppe gingen, versuchten dann, in den Gruppen, wo sie tätig waren, eine völlig andere Haltung hinzubekommen. Man muss auch wissen, dass die Behindertenhilfe damals dem medizinischen Dienst fachlich unterstellt war. Das wurde durch diesen Druck auch abgeschafft. Dann kamen die Pädagogen und Psychologen, und die Ärzte wurden zurückgedrängt auf ihre Profession, die Medizin.

Kutzner: Als Sie bei den Alsterdorfer Anstalten angefangen haben, wie war dort die Situation und wie wurden die Leute dort behandelt?

Fenker: Wie wurden sie behandelt? Die Medizin, also die Krankenhäuser, war okay, weil das Ärztliche abgeklärt war. Aber in der Behindertenhilfe waren die Schwachpunkte beim Fachpersonal, weil überwiegend keine Grundlagen da waren, zum Beispiel die Art, wie einige Pflegekräfte die Behinderten behandelten, wie sie zum Beispiel bei Zwangsernährung mit dem Löffel hinterherstopften, sodass Halsverletzungen entstanden. Herr Heine ist aber bei Bekanntwerden solcher Vorfälle arbeitsrechtlich dagegen vorgegangen.

Man konnte mich als beurlaubten Kirchenbeamten zwar mal „beiseiteschieben“, aber man konnte mich nicht entlassen. Deshalb hatte ich eine starke Position in Alsterdorf, mit der ich aber sparsam umging. Ich habe immer die Sache kritisiert und niemals den Menschen, ein Grundsatz, den wir in der Präambel hatten: Unterscheiden zwischen Werk und Mensch. Das Werk kann mal schlecht sein, deshalb muss der Mensch nicht schlecht sein. Das sind so die Begriffe. Ich habe dann versucht, über die Personalarbeit den Umgang mit Mitarbeitenden zu ändern. Auch wenn sie mal Fehler machten oder Abmahnungen bekommen hatten, ohne Gespräch wurde nie eine Abmahnung ausgesprochen, solange ich da war. Von daher war es gut, dass Heine, der vorher in der Kirche Personaldezernent war, und ich zehn Jahre zusammengearbeitet hatten und dann in Alsterdorf weiter zusammenarbeiteten. Er ist leider dann nur zu früh an Krebs gestorben.

Die Anfangszeit mit Demonstrationen war sehr, sehr, sehr schwierig. Vor dem Tor wurden Flugblätter verteilt, aber nicht von Alsterdorfer Mitarbeitern, denn die hätte ich abgemahnt. Wenn da Alsterdorfer Mitarbeiter Flugblätter ohne Genehmigung verteilt hätten, dann hätte ich arbeitsrechtlich tätig werden müssen. Das war der Zeitpunkt, wo ich richtige Tarifverträge mit Gewerkschaften einführen wollte. Das wollte ich schon immer. Das Problem war: Die Gewerkschaftsvertreter kriegten kein Zugangsrecht. Das hatte das Bundesarbeitsgericht entschieden.

Aber nachdem es praktisch den Gewerkschaftsfunktionären Zutritt gewährt hatte, wurde Verfassungsklage eingereicht und dann entschied das Bundesverfassungsgericht: Die Kirchen entscheiden selbst, wer in ihrem Bereich Zutritt hat oder nicht. Das einzige Zugeständnis, das das Bundesverfassungsgericht machte, war, dass die Gewerkschaften Stellwände nutzen und dort ihre Information auslegen durften. Aber sonst, kein Zutrittsrecht! Es hat mir immer Spaß gemacht, wenn die Funktionäre von den Gewerkschaften kamen. Ich sagte dann: Wenn ihr nicht willig seid, geht der Schlagbaum am Eingang der Stiftung runter und ihr kommt nicht rein! Aber ich habe nie Probleme mit denen gehabt. Die waren auch schon auf Mitarbeiterversamm­lungen. Die setzten sich einfach hin und keiner wagte, sie rauszuwerfen. Das war ja auch vernünftig, den Streit intern zu führen und nicht außerhalb.

Also, die ersten Jahre waren sehr, sehr anstrengend. Dann kamen die wirtschaftlichen Probleme, dann kam das Carl-Koops-Haus noch, gegen das die Mitarbeiter massiv Sturm liefen. Es hieß dann eben: Der Staat hat diese Millionen zur Verfügung gestellt. Wenn wir jetzt sagen, wir wollen das Carl-Koops-Haus, diesen Bunker, nicht haben, dann kriegen wir gar nichts. Da haben wir gesagt: Bei diesen Zuständen, Wachsäle und so weiter, dann lieber diesen Bunker, wo die Menschen auch mal Einzel- und Zweibettzimmer kriegen und menschenwürdig leben können. Der Bunker war einfach nur schreckhaft. Wie viel Menschen waren da, 316?

Schulz: 217 Menschen.

Kutzner: Wie hat man dann versucht, die wirtschaftlichen Probleme in den Griff zu bekommen?

Fenker: Wie das so üblich ist: Man entlässt Menschen. Und das war der Punkt. Also, die Geschichte muss ich einfach mal erzählen. [Die folgende Geschichte bezieht sich auf die Phase nach dem Weggang von Pastor Schmidt 1968.]

Also: Es gab einen permanenten Wechsel im Vorstand. Es begann damit, dass Wittern als Finanzvorstand auch Vorstandsvorsitzender werden wollte. Und das hat der Stiftungsrat nicht mitgemacht. Die sagten: Wir sind eine diakonische Einrichtung. Da ist der Pastor Vorstandsvorsitzender und nicht einer, der amerikanisch geprägtes Management hier einführen will. Und dann kriegte ich einen Anruf an einem Samstag, als Heine mich anrief und sagte: Der Stiftungsrat will zwei Mitglieder des Vorstandes entlassen. – Was?, sagte ich, Wittern und Schmidt? – Nein, sagte er, Schmidt und Heine. – Ich sagte: Kann doch nicht wahr sein! Dann trafen wir uns an einem Sonntag und führten erst mal ein Krisengespräch. Da sagte Schmidt – und das fand ich toll und mutig: Ehe der Stiftungsrat mir den Stuhl vor die Tür setzt, gehe ich von selbst! Er ist dann gegangen und hat eine Blindeneinrichtung übernommen.

Es dauerte dann auch nicht lange und Wittern durfte auch gehen. Danach wurde ein Vierer-Vorstand installiert.

Schulz: 1983 ist Herr Schmidt dann gegangen.

Fenker: Dann kam erst kommissarisch Probst Kohlwage, der nur Vorstandsvorsitzender werden wollte, wenn ihm ein Vetorecht zugestanden würde. Dies lehnte der Stiftungsrat ab und Kohlwage ging. Dann kam Probst Mondry, der ja auch derjenige war, der die Alsterdorfer Anstalten in Evangelische Stiftung Alsterdorf umbenannt, also diese Namensänderung umgesetzt hat. Er war kurze Zeit für den Personalbereich mit zuständig und danach in der Behindertenhilfe.

Es gab dann öffentliche Diskussionen über die Gehälter der Vorstände im Zusammenhang mit den wirtschaftlichen Problemen in der Stiftung. Mondry vertrat offensiv die Meinung: Wenn wir vernünftige Vorstände haben wollen, dann müssen wir Leute aus der Wirtschaft holen, die was von Wirtschaft und von Personal verstehen, und die sind nicht für ein Butterbrot und ein Ei – nicht für ein diakonisches Gehalt – zu haben, sondern da muss man schon Gehälter vergleichbar mit denen in der freien Wirtschaft zahlen. Und dann kann ich als Vorstandsvorsitzender nicht hinterherhinken! Daraufhin wurde er in der Stiftung und in der kirchlichen Öffentlichkeit kritisiert. Er bekam beleidigende Anrufe und sagte: Ich kann auf keiner Kanzel mehr predigen, ich werde wie ein geldgeiler Mensch dargestellt, das kann nicht sein! Und er ist dann in den vorzeitigen Ruhestand getreten. Das war sehr emotional.

Dann ist Baumbach Vorstandsvorsitzender geworden und von da an gab es diesen Vierervorstand von Dr. Scheile, der für die Behindertenhilfe zuständig war, Kraft für das Personal, Buschmann für die Finanzen und Baumbach. In der ersten Sitzung lagen die Finanzprobleme auf dem Tisch und es wurde beschlossen, dass der gesamte gewerbliche Bereich dichtgemacht werden sollte, über 200 Stellen sollten abgebaut werden. Baumbach ist mit mir zusammen zur Sitzung der Mitarbeitervertretung gegangen und erzählte: Wir, der Vierervorstand, werden das machen und so weiter … Ich dachte: Was erzählt der hier jetzt? Und als er dann fertig war, sagte ich: Jetzt muss ich mal die andere Seite benennen: Der Vorstand hat beschlossen, die gewerblichen Bereiche zu schließen. Da ist Baumbach aufgestanden mit den Worten Ich muss jetzt weiter, hin zur nächsten Sitzung und ist gleich rausgegangen. Nicht mal fünf Minuten später kam die Kollegin zu mir rein: Herr Fenker, Sie sollen sofort zum Vorstand! Ich saß noch in der Mitarbeitervertretung. Die grinsten schon. Ich musste raus, ging zum Vorstand: Was fällt Ihnen ein!! – Ich sag: Wie, was fällt mir ein? Sie haben es doch beschlossen! – Nein, das haben wir nicht beschlossen! Scheile war der Einzige, der sagte: Doch, das haben wir beschlossen! Da musste ich wieder zurück und musste sagen: Alles Schnee von gestern! Ungefähr 14 Tage später mussten wir den Antrag vorlegen, dass alle gewerblichen Bereiche geschlossen werden würden. Buschmann ging zur Mitarbeitervertretung und sagte: Machen Sie sich keine Sorgen! Handwerker brauchen wir immer! Das muss man sich mal vorstellen! Er beschließt die Schließung, geht anschließend zur Mitarbeitervertretung und sagt: Handwerker brauchen wir immer! Auf der nachfolgenden Mitarbeiterversammlung stellte sich Buschmann hin und sagte: Es wird keine betriebsbedingten Kündigungen geben! Und da riefen die Mitarbeiter: Wir wollen Fenker hören! Da musste ich nun in die Bütt. Ich dachte: Was sagst du nun? Der Vorstand hat gesagt: Es gibt betriebsbedingte Kündigungen. Da habe ich mich hingestellt und gesagt: Wir werden alles tun, die Anzahl so gering wie möglich zu halten, aber ohne betriebsbedingte Kündigungen schaffen wir es nicht! Da waren die Mitarbeiter zufrieden. Die wollten eine ehrliche Meinung hören und nicht wieder vertröstet werden. Diese Versammlungen waren unheimlich emotional.

Und dann ging es auch los: Wie kann man Raumpflegerinnen entlassen! Ich habe gesagt: Müssen wir nicht! Stellt sie doch auf euren Stellenplan [des Behindertenbereichs] ein! Dann habt ihr sie. – Und wenn sie krank sind? – Wir hatten über 50 Prozent Fehlzeiten im zentralen Reinigungsdienst. Ich habe die ganzen Stundennachweise in den Handwerksbetrieben ausgewertet – die unter anderem Grundlage für die Höhe der Rechnungen waren. Ich habe die in den Rechnungen aufgeführten Stunden addiert, habe die Nettoarbeitszeit berechnet und dann festgestellt, dass die Auslastung unter 50 Prozent war, Urlaub, Krankheit, alles schon abgezogen, reine Nettoarbeitszeit – da bin ich sehr großzügig gewesen – und trotzdem war die Auslastung nur unter 50 Prozent! Da kannst du nur schließen! Das haben wir dann auch durchgezogen. Wir haben nicht einen einzigen Prozess gehabt! Da hat die Behindertenhilfe voll mitgemacht! Es wurde für die Handwerker, die bereit waren, in der Behindertenhilfe zu arbeiten, ein Crashkurs angeboten, um sich für die Arbeit in der Behindertenhilfe zu qualifizieren. Viele sind aber einfach so gegangen. Die Raumpflegerinnen konnten wir nicht vermitteln. Ich habe alle Kirchengemeinden angeschrieben, die mich noch kannten und gesagt: Hier, das Problem haben wir. Habt ihr Interesse, gute Reinigungskräfte einzustellen? Ich hatte drei oder vier Zusagen. Keine der Raumpflegerinnen wollte wechseln. Da habe ich dann gesagt: Schluss! Dann sollen sie sehen! Wenn du nicht helfen kannst, dann ist es so.

Das war ein Einschnitt. Ich habe immer auch öffentlich gesagt: Ein erfolgreicher Vorstand oder leitender Mitarbeiter kann am Ende nur froh sein, wenn er sagen kann: Ich brauchte nie eine betriebsbedingte Kündigung auszusprechen! Zu dem Erfolg reichte es bei mir leider nicht. Es war vorauszusehen. Wenn die Vorgesetzten ihren Laden in den Griff gekriegt hätten, dann wäre das gar nicht so weit gekommen. Ich hatte mal den Hochmut gehabt zu behaupten: Das liegt nur an der Führung! Und dann haben die gesagt: Dann übernehmen Sie doch den zentralen Reinigungsdienst! Ich sagte: Mach ich! Das war ein Schuss in den Ofen. Ich habe es nicht geschafft und musste dann schließen. Den kriegtest du nicht zu fassen. Ging nicht!

Kutzner: Wie hat man dann versucht, die Situation zu verbessern?

Fenker: Indem wir die Aufgaben, die die Handwerker machten, extern vergeben haben. Wenn bei uns eine Lampe kaputt war, dann riefen wir das Maschinenhaus an; die sind gekommen – zu zweit –, guckten sich die Lampe an, Oh ja, ja, und sind dann wieder gegangen. Das war schon mal die erste Stunde. Die hatten keinen Handwerkskoffer mit Birnen oder so dabei. Nein, die sind erst mal wieder ins Maschinenhaus gegangen, kamen wieder am nächsten Tag mit Leiter, einer hielt sie und der andere schraubte ein. Dann kriegtest du die Rechnung zu sehen. Das bekommst du draußen billiger! Die kommen mit Koffer, die haben unterschiedliche Leuchtkörper im Paket und dann wird gewechselt und in fünf Minuten sind sie wieder draußen. Unsere nicht! So lief das überall!

Als Alsterdorf gegründet wurde, wollte es selbstständig sein. Selbstversorgung! Es wurde alles, zum Beispiel die Großküche, viel zu groß gebaut! Das Einzige, was hingehauen hat [Ende der 70er- bzw. Anfang der 1980er-Jahre gab es unter Wittern den Plan einer neuen Großküche zusammen mit Werkstattneubau], war die WfB [Werkstatt für Behinderte]. Das war Wittern mit Lühr und Gnas zusammen. Also gab es auch positive Dinge. Aber die Großküche war viel zu groß ausgerichtet, weil man es dann auch der Behindertenhilfe frei überlassen hat, Essen abzunehmen oder nicht. Und die fingen an, selbst zu kochen. Aber wir hatten eine Großküche installiert, und die Menschen – 1200 Menschen mit Behinderung haben wir ja betreut – sollten auch von der Küche beköstigt werden. Aber die Wohngruppen sagten: Wollen wir nicht! Es ist klar, dass das unwirtschaftlich ist. Jetzt erst, vor zwei Jahren, sind sie die Küche nun endlich losgeworden. [Die Küche wurde 2017 an einen französischen Anbieter verkauft.]

Schulz: Der Punkt ist, dass es da eine fachlich-konzeptionelle Konkurrenzsituation gab. Keiner wollte mehr die Anstalt, aber es wurden Dinge gebaut, die die Anstalt zementierten.

Fenker: Völligrichtig!

Schulz: Und die Realisierung von Selbstbestimmung und Integration war natĂĽrlich: Wir kochen selbst! Der Konflikt war insofern hausgemacht. Wie viel Anstalt ist es denn noch gewesen in den 1980er- bzw. 1990er-Jahren und wie wurde der Konflikt dann weiterbearbeitet?

Fenker: Man hätte vorher mit den Leuten reden und verbindliche Vereinbarungen abschließen müssen. Anders wäre das nicht gegangen! Das hat man nicht gemacht, weil jeder gesagt hat: Das ist doch vernünftig! Warum sollen die da kochen? Und die haben gekocht!

Der nächste Meilenstein war: Ich wollte immer Tarifverträge. Wittern sagte aber: Solange wir diese Mitarbeitervertretung haben, die hier nur Stress macht, hole ich mir doch nicht die Gewerkschaften ins Haus! Wittern ging und Mondry kam. Der kannte das. Die einzige Kirche in Deutschland, die Tarifverträge mit den Gewerkschaften abgeschlossen hatte – damals waren es ÖTV, DAG und VKM, Verband kirchlicher Mitarbeiter –, war die Schleswig-Holsteinische Landeskirche. Die drei saßen auf der Arbeitnehmerseite. Und als die dann weg waren, durfte ich mit den Gewerkschaften die Verhandlungen führen, damit Alsterdorf vielleicht tarifgebunden wird. Das ist gescheitert – die Gewerkschaften haben den Verhandlungstisch verlassen – bezüglich der Frage der Kirchenzugehörigkeit. Damals, zu meiner Zeit, hätte es mit mir einen Verzicht auf Kirchenzugehörigkeit nicht gegeben! Jeder Mitarbeiter musste einer christlichen Kirche angehören. Das steht ja in den Anzeigen drin, wer wir sind, was wir sind. Ich habe gesagt: Kein anderes Unternehmen wird Mitarbeiter einstellen, die gegen die Grundsätze verstoßen. Wenn einer mit Kirche nichts im Sinn hat, kann der nicht in Alsterdorf arbeiten. Da haben die Gewerkschaften gesagt: Mit uns nicht! Sie haben den Verhandlungstisch verlassen. Da habe ich gesagt: Wer rausgeht, muss auch wieder reinkommen. Und ein halbes Jahr später kamen die Gewerkschaften: Können wir noch mal verhandeln? Da habe ich gesagt: Ihr kennt ja das Problem. Wir haben dann einen Kompromiss gefunden, indem wir gesagt haben: Die Mitarbeiter, die Zeitverträge haben, wollen wir überzeugen; die haben ein halbes Jahr Zeit, zu gucken, ob ihnen das gefällt, ob sie in die Kirche eintreten oder nicht eintreten wollen. Auszubildende, wenn sie hätten übernommen werden wollen, hätten eintreten müssen. Aber wir wollten Auszubildende haben und so haben wir dann einen Weg gefunden. Dass sich das im Laufe der Jahre mit den vielen Kirchenaustritten verändert hat, klar, da muss man reagieren, um neue Mitarbeitende zu gewinnen. Dies hätte man aber mit der Diakonie besser kommunizieren müssen. [Gemeint ist die Abschaffung der ACK-Klausel in der ESA, die die Zugehörigkeit zu einer der großen christlichen Kirchen verbindlich als Kriterium für die Einstellung in die Stiftung festlegte.]

Da wir aus wirtschaftlichen Gründen erneut Personal im Maschinenhaus abbauen wollten, ist es zu den Gesprächen zum Bündnis für Investition und Beschäftigung gekommen. Und da war es so, dass selbst mit Zustimmung von Gewerkschaften und Vorstand die Vergütung abgesenkt werden sollte. Da habe ich gesagt: Das kann nicht euer Ernst sein! Guckt euch doch mal die Gehälter an, was die Mitarbeiter im Krankenhaus, in der Pflege bekommen! Die können nicht mal eben auf 50 D-Mark oder mehr verzichten. Das ist ausgereizt, das geht nicht! Das, was wir machen können, ist, für die Zukunft Tariferhöhungen nicht auszuzahlen, weil sie sich darauf eingerichtet haben, und dann müssen sie eben die Teuerungsraten einsparen. Da guckten sie: Ja, klar. Wir haben also verhandelt, dass es fünf Jahre lang keine Tariferhöhungen gibt.

Nach vier Jahren war ein Betrag zusammengekommen, der aber noch nicht die 50 Millionen erreicht hatte. Da habe ich gesagt – wir waren schon zehn Prozent unterhalb des Tarifgefüges: Jetzt ist es eigentlich gut. Dann bin ich zu Kraft gegangen: Was halten Sie davon, wenn wir jetzt aufhören mit dem Aussetzen? Wir können das so machen, dass die Zinsen, die die Bereiche, die die Gelder bekommen haben, zahlen sollen – die haben ja auch viel neu gebaut –, in den Investitionsfonds fließen, bis die 50 Millionen voll sind. Da sagte Kraft, der zwei Positionen hatte, nämlich Finanz- und Personalvorstand: Wenn Sie den Finanzvorstand fragen, dann sage ich Nein. Wenn Sie den Personalvorstand fragen, dann würde ich Ja sagen. Darauf sagte ich: Ich frag ja den Personalvorstand. Und dann hat er zugestimmt.

So, danach kam noch die Ausgliederung. Das war das Nächste …

Schulz: Genau, die Holdingstruktur.

Fenker: … dass die einzelnen Gesellschaften rechtlich ausgegliedert wurden, damit nicht mehr der große Tanker die Schlagzahl vorgibt, sondern die kleineren Schiffe, die unterwegs und die beweglicher sind. Das war auch der richtige Schritt.

Schulz: Und dann wurden Sie selber noch Vorstand.

Fenker: Nun starb Baumbach ja leider an Krebs. Wir hatten eine sehr starke leitende Mitarbeiterschaft, von der ich als Sprecher in den Sprecherausschuss des Stiftungsrates gewählt wurde, obwohl viele mich nicht mochten wegen meiner Art und meiner Nähe zum Vorstand. Ich sagte immer: Ihr wisst doch gar nicht, was ich auch mit dem Vorstand für Streit habe in der Sache, nicht in der Person. Ich habe nicht gesagt: Ihr seid doch blöd, sondern: Die Entscheidung ist aus den und den Gründen falsch. Und damit konnte der Vorstand leben.

Dann verstarb also Baumbach und ich wurde vom Stiftungsratsvorsitzenden, Herrn Schüler, gerufen und der sagte: Wir müssen ein Zweiervorstand sein, das schreibt dieSatzung vor, einer geht nicht. Es gibt zwei Menschen, die das können. Ich könnte das oder Sie. Machen Sie das!Ich sag: Da brauche ich aber Bedenkzeit. So jetzt aus dem Stegreif!! Dann habe ich mit Kraft gesprochen – denn ich war ihm noch unterstellt, das ist dann nicht einfach – und gesagt: Ich mache das nur, wenn wir uns einig sind, dass Sie den Außenminister machen und ich den Innenminister mache – ich rede nicht gern mit Bürgermeistern und ähnlichen Leuten, das ist nicht meine Welt, da bin ich zu direkt. Dem hat Herr Kraft zugestimmt und dann habe ich mit meiner Frau gesprochen. Die sagte: Du wolltest doch aus diesem Grund nie Vorstand werden! Intern war ich praktisch Personalvorstand. Ich habe die ganze Personalpolitik gemacht! Der Vorstand hat es abgenickt und war auch informiert, aber ich habe, ob das die Tarifverträge oder andere Sachen waren, alles auch durchgezogen, auch die Ausgliederung: fachlich, rechtlich, alles abgeprüft! Ich hatte auch eine tolle Truppe. Die ganzen Arbeitsgerichtsprozesse, wir haben alles da gemacht. Und da war ich zu Hause, aber Vorstand will ich nicht. Es ging um eineinhalb Jahre. Kraft fragte auch gleich: Wann gehen Sie in Ruhestand? – In eineinhalb Jahren.

Wir hatten, muss ich auch noch mal sagen, eine Sitzung im Krankenhaus. Da ging es darum, einen leitenden Chefarzt einzustellen, und ich hatte gesagt: Die GmbHs entscheiden selbst, die sind ja schließlich eine rechtliche Gesellschaft, habe aber nicht beachtet, dass in der Satzung steht, dass Chefärzte der Zustimmung des Stiftungsrates bedürfen. Der Chefarzt, den wir einstellen wollten, war schon 55 und da haben die gesagt: So einen alten Chefarzt! Und ich sag: Sie haben ja auch einen 63-Jährigen zum Vorstand gemacht. Und da hat Schüler gesagt: Das würde ich auch nie wieder machen!

So, und dann war ich für eineinhalb Jahre Vorstand. Ich habe aber meine Abteilung behalten und alles weitergemacht. Ich kriegte noch die Krankenhäuser, die Schulen und für eineinhalb Jahre die Öffentlichkeitsarbeit dazu. Ohne großen Krach habe ich das über die Runden gebracht.

Schmuhl: Ja, das war ein Parforceritt!

Schulz: Ja, für eine lange Zeit, aber so, wie es sich darstellt, auch sehr erfolgreich, finde ich. Das ist natürlich auch schön.

Fenker: Darauf bin ich auch stolz!

Schulz: Wenn Sie heute zurĂĽckschauen und sich jetzt entscheiden mĂĽssten, den Job noch mal anzunehmen, den Sie gemacht haben, wĂĽrden Sie das wieder machen?

Fenker: Ja, aber erst ab der Zeit, wo ich noch keine Verantwortung hatte, also ab der Zeit unter Schmidt, denn Pastor Schmidt hatte mich ja in kein Gremium gelassen. Es gab mehrere Kreise und ich war nirgends dabei! Der wollte das nicht. Noch eines: Pastor Schmidt hatte mal zu Heine gesagt: Herr Fenker verunsichert die Mitarbeiter! – Wieso? – Er spricht mich mit Herr Schmidt an und alle sagen Herr Direktor oder Herr Pastor Schmidt. Heine kam dann und sagte: Herr Fenker, Sie verunsichern die Mitarbeiter! Ich ahnte das, ich kannte ihn ja und sagt dann zu Heine: Muss ich Herr Pastor sagen? – Sag ich eben Herr Pastor Schmidt.

Als Schmidt weg war und dann Heine Personalvorstand war, konnte ich auch richtig aktiv werden. Heine kam mal zu mir: Herr Fenker, Sie können nicht alles unterschreiben! Ich komme ja gar nicht mehr vor hier in der Stiftung! Da haben wir abgemacht, dass er ab der Vergütungsgruppe 4a des Bundesangestelltentarifvertrages BAT alle Verträge unterschreibt. Die anderen durfte ich dann unterschreiben, denn ich habe gesagt: Mach ich hier. Läuft!

Mondry kam, und als er anfing, sagte er zu mir: Herr Fenker, Sie haben eine Position wieFrau Passlack im Kirchenkreis sowieso [die damalige Personalreferentin aus dem Kirchenkreis von Pastor Mondry]! Ich sag: Das wüsste ich! – Ja, selbstverständlich die Bereiche entscheiden! – In Personalsachen entscheide ich! – Nein, nein! – Doch, doch! –Da ist Herr Mondry zu Heine gegangen: Der Fenker sagt … – und Heine: Der hat recht! – So, und von da an habe ich mich auch mit Mondry verstanden.

WasWittern angeht, der hat gesagt: Ich werde nie zulassen, dass ein weiterer Kirchenbeamter hier in Alsterdorf anfängt!Ich kriegte von ihm einen Fünf-Seiten-Brief – ich wollte den erst mitbringen. Das Schreiben konnte ich mir hinter den Spiegel hängen, da hat er mich richtig gefaltet! Da ging’s darum, dass er das MBO-Management (Management by Objectives) hier einführen wollte. Da sagte ich: Das ist in der Behindertenhilfe unmöglich! Sie können hier nicht Ziele vereinbaren, die dann Grundlage für die Bezahlung und andere Dinge sind. In der Behindertenhilfe sind so viel Einflüsse, auf die man als Mitarbeiter gar keinen Einfluss hat, um die Ziele zu erreichen. Das habe ich ihm geschrieben, und er, Wittern, hat geantwortet, was mir einfiele, ich hätte schließlich nur dann zu antworten, wenn ich hierzu aufgefordert würde. Da habe ich mal kurz aus dem Beamtenrecht zitiert, nämlich, dass ich verpflichtet bin, meinen Vorgesetzten zu beraten. Auf fünf Seiten hat Herr Wittern von mir eine Rückmeldung gekriegt.

Dann standen Pflegesatzverhandlungen an, an denen ich teilgenommen habe. Herr Wittern hatte vorher Herrn Heine angerufen und gesagt: Ich gehe mit Fenker nicht an einen Tisch, bevor das nicht ausgeräumt ist! Da hat Heine sich dann geziert, weil er ein überaus höflicher Mensch war. Und wir beide kriegten uns auch gleich in die Wolle. Ich sagte: Sie ziehen sich doch nur Menschen aus seiner alten Firma heran! – Er hatte Döring und die EDV-Leute hergeholt. – Das sind doch alles nur Jasager, die Sie da hergeholt haben, da hat doch keiner den Mut, auch mal gegenzuhalten! Aber: Nach dem Gespräch haben wir uns die Hand gegeben! Heine übernahm die Behindertenhilfe, und wer wurde mein Vorgesetzter? – Wittern! Oh, habe ich gedacht, jetzt kriegst du es zurück! Nicht ein einziges Mal hat er das zum Thema gemacht, das muss ich fairerweise dann auch sagen. Vielleicht hat ihm das auch imponiert, dass ich ihm Kontra gegeben habe.

Also, ich würde diese Arbeit immer wieder machen, weil es so spannend war. Es hat auch Spaß gemacht. Ich habe die Tarifverträge eingeführt, diese anderen Umsetzungen, dann zum Schluss noch elektronische Personalakte. Das Letztere habe ich aus strategischen Gründen gemacht. Ich habe gesagt: Die Vorgesetzten in den rechtlich selbstständigen Gesellschaften wollen die Personalakten ihrer Mitarbeiter bei sich haben, denn jeder Vorgesetzte will gucken, wer nun seine Mitarbeiter sind – hat einer schon mal ’ne Abmahnung gehabt? –, und er will nicht fragen, denn das sind ja seine Mitarbeiter und nicht die des Personalbereiches. Und ich sagte: Aber wir können nur Personalarbeit machen, wenn die Personalakten bei uns sind! Und die waren sauer, meine Kollegen! Jetzt alles noch mal machen! Ich habe gesagt: Ichwill die elektronische Personalakte, noch bin ich da, noch krieg ich die Finanzierung durch. Wenn ich nicht mehr bin, wer weiß, was dann passiert!Und weiter: Dann können die jeweiligen Vorgesetzten jederzeit am Bildschirm in die Akten ihrer Mitarbeitenden reingucken und brauchen sie nicht vor Ort und ohne Personal. Sonst könnt ihr als Mitarbeiter des Personalbereiches keine Betreuung machen! Und noch heute sagen sie – ich habe ja noch meinen Kontakt: Gott sei Dank!

Tatsächlich, ich bin gerne zur Arbeit gegangen!

Schulz: Schön.

Schmuhl: Was würden Sie denn sagen, wenn Sie das Personal in der Anfangszeit betrachten, als Sie tätig wurden, also Anfang der 1980er-Jahre und am Ende, was hatte sich da beim Personal verändert?

Fenker: Qualitativ enorm viel!

Schmuhl: Qualifikation, Einstellung, was auch immer.

Fenker: Es ist einmal die Qualifikation. Es wurden Pädagogen, Erzieher, Sozialpädagogen und Psychologen eingestellt, obwohl die mir das Leben auch schwergemacht haben.

Es hat keine Sitzung der Mitarbeiterversammlung gegeben, an der ich nicht teilgenommen habe. Es gab mal eine Einladung von der Mitarbeitervertretung zu einer Mitarbeiterversammlung. Der Text dieser Einladung war gegen den Vorstand gerichtet. Da haben Baumbach und Kraft gesagt: Da gehen wir nicht hin! Ich sagte: Das können Sie nicht machen! Auf Mitarbeiterversammlungen hat der Arbeitgeber Rede und Antwort zu stehen! – Nein, da können Sie ja hingehen! – Ich bin in Urlaub! – Dann kommen Sie zurück! Da habe ich gesagt: Okay!Da war ich auf Rügen, bin morgens von Rügen losgebraust und dann formvollendet mit Krawatte zur Mitarbeiterversammlung gekommen. Dann ging es wieder los mit dem, was sie immer wieder gefordert hatten. Sie wollten unbedingt die Höhe der Gehälter der Leitenden wissen. Das war immer wieder ein Streitthema. Da bin ich dann aufgestanden und habe gesagt: Kriegt ihr nicht! Ihr vertretet nicht die leitenden Mitarbeiter! Die handeln ihre Gehälter mit dem Vorstand aus. Und das wird hier nicht öffentlich diskutiert, was der Vorstand mit den Leitenden ausgehandelt hat. Aber ich verspreche Ihnen, wenn Alsterdorf mal börsennotiert ist, dann kriegen Sie auch die Infos! Die waren sauer, aber sie haben es akzeptiert.

Schulz: Das hätte etwas mit dem Thema Gewinne zu tun – das Thema hatten wir gerade.

Fenker: In dem Bündnis für Investition und Beschäftigung gab es einen sogenannten Lenkungsausschuss, da saßen die Gewerkschafter drin, die MAV und die Vertreter der paar Leitenden und der Vorstand. Da kam es wieder: Wir wollen die Höhe der Gehälter wissen! Und ich habe gesagt: Die kriegen Sie nicht!Der Vorstand hatte signalisiert, er würde dem zustimmen. Und da sagte Herr Waubke, Vertreter von ver.di: Auch Sie, Herr Fenker, unterliegen der Weisung! Woraufhin ich sagte: Das ist mir völlig klar. Der Vorstand kriegt das ja auch von mir, aber Sie kriegen es nicht von mir. Sollte der Vorstand – das habe ich öffentlich gesagt – die Höhe meines Gehaltes weitergeben, werde ich alle rechtlichen Schritte einleiten, um das zu verhindern. Ich fühle mich dann in meinem Persönlichkeitsrecht verletzt. Ich werde nicht öffentlich die Höhe des Gehaltes mitteilen, jeder weiß, dass ich mehr kriege als eine Erzieherin! Aber wie viel mehr, kann man niemals in einer Behinderteneinrichtung vertreten! Ein einziges Mal, das haben wir dann abgesprochen, habe ich das Durchschnittsgehalt aller Leitenden der Mitarbeitervertretung vertraulich mitgeteilt. Sie waren überrascht über die Höhe, weil sie mit einer viel höheren Summe gerechnet hatten.Also das war das Einzige, was wir gemacht haben.

Schulz: Die Zeit ist vorbei.

Kutzner: Eine Abschlussfrage hätte ich noch: Wie stehen Sie heute zur Evangelischen Stiftung Alsterdorf?

Fenker: Meine Frau sagt immer: Ich habe das Gefühl, du bist immer noch in der Stiftung. Ich habe noch Kontakte, mein Herz hängt dran und, soweit es geht, informiere ich mich regelmäßig über das, was da öffentlich abgeht.

Schulz: Vielen Dank fĂĽr das Interview!