Januar 2006
Stadtmission Kiel â eine neue gemeinnĂŒtzige Tochter in der ESA
Mit ihrer mehr als hundertjĂ€hrigen Geschichte verfĂŒgt die Stadtmission Kiel ĂŒber eine breite Palette sozialer Dienstleistungen. Sie ist in den Bereichen Altenhilfe, Psychiatrie, Suchtkrankenhilfe und soziale Integration unterwegs und suchte nach einem starken Partner.
âDie Evangelische Stadtmission Kiel e.V. profitiert kĂŒnftig von dem Know-How und den Synergien, die die Angebotspalette des Alsterdorfer Verbunds bietet. [âŠ] âDie Stiftung ist nicht auf Einkaufstourâ, so Rolf Baumbach, [âŠ] Wir steuern nicht auf dem Kurs wie einige andere diakonische Einrichtungen, die sich als âKolonisatorenâ betĂ€tigen und alles aufkaufen, was irgendwie zur VerfĂŒgung steht. Die Initiative kam aus Kiel und es war eine Bitte um Hilfe, der wir uns nicht verschlossen haben.â
(vgl. Streckwall, Arndt/Krings, Hans-Georg 2005, Stadtmission Kiel wird Tochterunternehmen. Neue Arbeitsfelder in der Stiftung, in: ESA [Hg.] Umbruch. Mitarbeiter-Magazin der Ev. Stiftung Alsterdorf Nr. 4/2005, ArESA, Hamburg, S. 10)
Februar 2006
alsterpaper zieht in ein neues BetriebsgebÀude
Seit Anfang Februar 2006 arbeitet die neu entstandene integrierte BetriebsstÀtte alsterpaper (Papierverarbeitung, Druck- und Versandzentrum) am Wiesendamm in Hamburg-Barmbek.
Es gibt viele interessante ArbeitsplĂ€tze mit und ohne Assistenz fĂŒr ĂŒber 100 Mitarbeitende von sehr niedrigschwelligen BeschĂ€ftigungs- und Produktionsangeboten mit Schwerpunkt Papierverarbeitung bis hin zu anspruchsvoller Drucktechnik mit 4-Farb-Druck-StraĂe.
Bundesverdienstkreuz fĂŒr den Vorsitzenden des Stiftungsrats
Hans-Rudolf SchĂŒler erhĂ€lt in seinem 77. Lebensjahr das Bundesverdienstkreuz, ĂŒberreicht durch die Zweite BĂŒrgermeisterin, Birgit Schnieber-Jastram. Er leitet seit zwölf Jahren den Stiftungsrat der ESA und hat als Vorsitzender des Aufsichtsorgans der Stiftung den Sanierungs- und Ăffnungsprozess der Stiftung begleitet.
Ăberlegungen zu einer Strategie der Evangelischen Stiftung Alsterdorf
Zwei Monate vor dem Tod des Vorstandsvorsitzenden, Rolf Baumbach, erscheint der âEntwurf einer Stiftungsstrategieâ des Vorstands. Mit dem SelbstverstĂ€ndnis, als ein moderner Verbund diakonischer Dienstleistungsunternehmen zu agieren, wird eine Konzernstrategie entworfen, die sich einerseits am Leitbild der Stiftung und andererseits an den zu erwartenden Entwicklungen auf dem deutschen Sozial- und Gesundheitsmarkt orientiert.
âDie Entwicklung einer innovativen Unternehmensstrategie soll dazu dienen, auf den sich sehr schnell verĂ€ndernden SozialmĂ€rkten des integrierten Europa die ZukunftsfĂ€higkeit der Evangelischen Stiftung Alsterdorf zu sichern und die Bedeutung der Stiftung in ihrem sozialen Auftrag zu unterstreichen. [âŠ] Aufgrund ihrer protestantischen PrĂ€gung sieht sich die [âŠ] Stiftung [âŠ] besonders der Freiheit des Individuums verpflichtet. Die theoretische Reflexion ĂŒber Ziele und Methoden der Arbeit â insbesondere im Bereich der Dienstleistungen fĂŒr Menschen mit Assistenzbedarf â konzentrierte sich deshalb auf das in den USA und England entwickelte Konzept der community care, in dem Menschen mit Assistenzbedarf als freie BĂŒrger im Gemeinwesen in ihrer unverwechselbaren IndividualitĂ€t ernst genommen werden. Viele Schritte der Sanierung und Erneuerung wurden seit 1998 konsequent an Einsichten von community care orientiert. Die alte âAnstaltâ sollte definitiv aufgelöst und die Evangelische Stiftung Alsterdorf in ein klientel- und kundenorientiertes diakonisches Dienstleistungsunternehmen umgewandelt werden.â
(s. Ăberlegungen zu einer Strategie der Evangelischen Stiftung Alsterdorf / Fassung 12.02.2006, ArESA Hist. Slg. 62 II, Hamburg)
MĂ€rz 2006
Leitfaden zum Umgang mit sexualisierter Gewalt
Zu diesem wichtigen Thema in der Arbeit fĂŒr und mit Menschen mit Behinderung positionieren sich die Verantwortlichen in den beiden Assistenzgesellschaften alsterdorf assistenz ost und west. Beide zu diesem Zeitpunkt geleitet von Birgit Schulz, die mit Dunja Wörthmann (aa ost) und Britta Siemssen (aa west) diesen Leitfaden entwickelt und geschrieben hat.
âDie Publikation informiert nicht nur ĂŒber das Thema, sondern bietet auch konkrete Hilfen im Umgang mit sexualisierter Gewalt. So werden u.a. rechtliche Rahmenbedingungen erlĂ€utert, verbindliche HandlungsablĂ€ufe dargestellt und Ansprechpartnerinnen und -partner genannt.â
(s. Nachricht vom 28.03.2006, alsternet, ArESA Hist. Slg.54, Hamburg)
April 2006
Rolf Baumbach stirbt im 61. Lebensjahr
âDie Wandlung der Stiftung von der ehemaligen Anstalt zu einem modernen diakonischen Unternehmensverbund trĂ€gt die Handschrift von Rolf Baumbach. Zusammen mit seinem Vorstandskollegen Wolfgang Kraft sanierte er die Stiftung â und das in Zeiten wirtschaftlicher Regression und Stellenabbaus. Er stellte sie auf ein solides ökonomisches Fundament und schuf sogar noch zusĂ€tzliche ArbeitsplĂ€tze. Entsprechend seinen Leitprinzipien, den freiheitlichen Gedanken des Luthertums und Community Care, also Selbstbestimmung fĂŒr Menschen mit Handicap, bewirkte er, dass die Stiftung wieder auf einen progressiven Kurs kam. Dieser Kurs umfasste die Ăffnung der ehemaligen Anstalt und die Etablierung des Alsterdorfer Marktes als Zentrum im Hamburger Norden. Rolf Baumbach erlag am 10. April 2006 einem schweren Krebsleiden, dem er sich lange Zeit mit viel Kraft und Energie entgegengestellt hatte.â
(s. Alsterdorf Magazin Nr. 26, 2013, S. 19)
Interview mit Wolfgang Kraft
âIch persönlich habe in Rolf Baumbach einen Freund verloren [so formuliert es Wolfgang Kraft] und er hinterlĂ€sst im Vorstand eine groĂe LĂŒcke. Sein groĂes Engagement und seine Weitsicht fĂŒr das, was wir gemeinsam entwickelt haben, ist nicht einfach zu ersetzen. Er hatte eine hohe Kompetenz als Theologe und Pastor, die nicht fĂŒr alle hinter der Funktion und den unterschiedlichsten Aufgaben eines Leiters und Managers der Stiftung zu erkennen war.â
(s. Streckwall, Arndt/Krings, Hans-Georg 2006, Nachfolge im Vorstand, in: ESA [Hg.], Umbruch. Mitarbeiter-Magazin der Ev. Stiftung Alsterdorf Nr. 2/2006, ArESA, Hamburg, S. 12)
alsterdorf assistenz umland erhĂ€lt UN-GĂŒtesiegel
Als weltweit erste soziale Dienstleisterin erhĂ€lt die fĂŒr das Hamburger Umland zustĂ€ndige Assistenzgesellschaft ein GĂŒtesiegel der Vereinten Nationen. Mit diesem GĂŒtesiegel wird die erfolgreiche Umsetzung des nachhaltigen, ressourcenschonenden Wirtschaftens sowohl im ökonomischen wie ökologischen Bereich gewĂŒrdigt. Der Landwirtschaftsminister des Landes Schleswig-Holstein bezeichnete die Assistenzgesellschaft als Vorreiter und Leuchtturm fĂŒr das Land im sozialen Sektor. Vorstand Wolfgang Kraft sprach von einem besonderen Ansporn, den diese Zertifizierung fĂŒr die ganze Stiftung bedeute.
Mai 2006
tagewerk Lurup pflegt GrĂŒnanlagen beim FC St. Pauli
âSchon seit einiger Zeit ist der Westen aktiv fĂŒr die Umsetzung von BeschĂ€ftigungsprojekten in der Arbeitswelt und auf der Suche nach Kooperationspartnern. [âŠ] Nun kommt aktuell die neue Zusammenarbeit mit dem FC St. Pauli dazu. [âŠ] Dreimal in der Woche arbeiten bis zu acht BeschĂ€ftigte auf dem Trainingsareal, jĂ€ten Unkraut, schneiden BĂŒsche, pflegen die Laufstrecke und die NaturrasenflĂ€chen. [âŠ] âWir etablieren uns mit unserer Arbeit ganz selbstverstĂ€ndlich in alltĂ€glichen Arbeitsfeldern und das ist wichtig fĂŒr die BeschĂ€ftigten â dazugehören und im Arbeitsleben stehen, wie andere auchâ, freut sich JĂŒrgen Heinecker.â
(vgl. Krings, Hans-Georg 2006, Der FC St. Pauli und das ganz normale Arbeitsleben, in: ESA [Hg.], Umbruch. Mitarbeiter-Magazin der Ev. Stiftung Alsterdorf Nr. 2/2006, ArESA, Hamburg, S. 5)
Juni 2006
Zielvereinbarung zum Ambulantisierungsprozess mit der Sozialbehörde
Am 10. Juni 2006 wird die Zielvereinbarung mit rĂŒckwirkender GĂŒltigkeit ab Juli 2005 zur Weiterentwicklung der Eingliederungshilfe zwischen der Evangelischen Stiftung Alsterdorf und der Hamburger Sozialbehörde unterschrieben.
Damit wurde die Umsetzung von konkreten Ambulantisierungszielen erstmals in Hamburg mit einer Laufzeit von fĂŒnf Jahren vertraglich geregelt.
(vgl. Bernzen, Christian, 2021, Von der Kostenerstattung zum TrĂ€gerbudget â Textbeitrag zur Dokumentation der EGH-Entwicklung in der ESA 1980â2020, ArESA, Hist. Slg. 62 II, Hamburg)
Peter Gitschmann und Hermann Veser, die seitens der Behörde damals verantwortlichen Mitarbeiter, schreiben dazu Folgendes:
âDieser Vereinbarung folgten dann weitere konkretisierende Vereinbarungen mit anderen Leistungsanbietern und den VerbĂ€nden.â
âMit dieser Vereinbarung war ein Grundstock fĂŒr eine neue Form der Zusammenarbeit von Evangelischer Stiftung Alsterdorf und Sozialbehörde gelegt: Neben â eigentlich vor â die Vereinbarung von Entgelten trat die Vereinbarung auf gemeinsame Ziele. [âŠ] In dieser Vereinbarung wurden jenseits konkreter Leistungsvereinbarungen alle damals relevanten strittigen Fragen zwischen der Sozialbehörde und der Stiftung geregelt. Dieses waren an erster Stelle mittelfristige finanzielle Fragen. Zentral war in der Vereinbarung eine Regelung nominal sinkender VergĂŒtungen, die fĂŒr die Stadt eine finanzielle Entlastung und fĂŒr die Stiftung planbare VerhĂ€ltnisse schuf. Zugleich wurde auf Wunsch der Sozialbehörde die EinfĂŒhrung von Hilfebedarfsgruppen vereinbart. Besonders wichtig war, dass etwa ein Drittel der damaligen stationĂ€ren PlĂ€tze im Angebot der Stiftung in sog. Ambulante Assistenzformen umgewandelt werden sollte. FĂŒr diese sog. Ambulantisierung wurden finanzielle Ausgleiche vorgesehen. [âŠ] In den Blick genommen wurde eine einvernehmliche Regelung des weiteren Umgangs mit dem Carl-Koops-Haus.â
Interview mit Karin Otten, Hanne Stiefvater und Prof. Dr. Dr. Christian Bernzen
Zum Interview mit Transkription
âAuf zu neuen Ufernâ
Ein Filmbericht
ĂŒber den Prozess der Ambulantisierung in Hamburg 2007 â 2010
(s. Gitschmann, Peter/Veser, Hermann 2021, `TrĂ€gerbudgets als Innovationsmotor im Hamburger System der Rehabilitation und Teilhabeâ â Textbeitrag zur Dokumentation der EGH-Entwicklung in der ESA 1980â2020, ArESA Hist. Slg. 62 II, Hamburg, S. 4)
âKonzeption eines Zentrums fĂŒr Assistenz im Stadtteilâ vorgelegt von S. Burmeister, C. Kentgens, A. Schleiermacher und H. Sievert, MĂ€rz 2006
âTreffpunkt-Konzeptâ alsterdorf assistenz ost und alsterdorf assistenz west, Hamburg, 2011
Nachfolgeregelung im Vorstand
Hilke Osterwald, Theologin und Pastorin an St. Nicolaus, seit 1994 in Alsterdorf, 1996 zur stellvertretenden Direktorin fĂŒr seelsorgerliche und theologische Angelegenheiten ohne Sitz im Vorstand berufen, wird fĂŒr zwei Jahre im Vorstand mitarbeiten und erhĂ€lt dort Vetorecht. Hilke Osterwald beschreibt ihre Empfindungen angesichts dieser Berufung:
âIch habe gerne zugesagt, als man mich fragte [âŠ] [ich] kenne die Stiftung und die Menschen, die hier leben, wohnen und arbeiten gut. Ich kann mit der neuen Aufgabe BewĂ€hrtes und Neues verbinden [âŠ] Dabei sind mir die vielen GesprĂ€che mit Rolf Baumbach eine StĂŒtze. Mein Ziel ist es, an seine Arbeit anzuknĂŒpfen, aber auch eigene Akzente zu setzen.â
(s. Streckwall, Arndt/Krings, Hans-Georg 2006, Nachfolgeregelung im Vorstand, in: ESA [Hg.], Umbruch. Mitarbeiter-Magazin der Ev. Stiftung Alsterdorf Nr. 2/2006, ArESA, Hamburg, S. 13)
Dieter Fenker, seit 27 Jahren Bereichsleiter fĂŒr Personal- und Sozialwesen und ein erfahrener und krisenerprobter Manager in der Stiftung, wird vom Stiftungsrat zum neuen Vorstandsmitglied berufen. Er ĂŒbernimmt die operativen Aufgaben von Rolf Baumbach. Er wird als Vorstand fĂŒr die Bereiche Medizin, Schulen, Kinder- und Jugendhilfe, Personal- und Tariffragen und Kommunikation verantwortlich sein.
Dieter Fenker sagt zu seiner neuen Aufgabe:
âIch möchte in den zwei Jahren, die ich noch in der Stiftung und jetzt im Vorstand verbleibe, fĂŒr KontinuitĂ€t und Vertrauen sorgen und die anstehenden Dinge im Sinne des eingeschlagenen Weges umsetzen und weiterentwickeln. Die Zeit der Umstrukturierung ist zum groĂen Teil abgeschlossen. Was wir nun verstĂ€rkt brauchen ist, dass wir die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter noch stĂ€rker mitnehmen, die positive Entwicklung der Stiftung nach innen verdeutlichen und die Identifikation stĂ€rken.â (ebd.)
Oktober 2006
Fachkongress âCommunity Livingâ
Gemeinsam mit der Deutschen Gesellschaft fĂŒr Soziale Psychiatrie und deren Fachausschuss Menschen in Heimen veranstaltet die Evangelische Stiftung Alsterdorf den bundesweit ausgeschriebenen Kongress âCommunity Livingâ. Der Kongress nimmt in seiner Ăberschrift Bezug auf die Bewegung âCommunity Livingâ:
âUm ihre Rechte und volle Teilhabe an der Gesellschaft wahrzunehmen, brauchen Menschen mit Behinderung Zugang zu umfassenden QualitĂ€tsdiensten mit Sitz in der Gemeinde. Das bedeutet, unabhĂ€ngig in der Gemeinde zu leben, in kleinen Wohneinheiten oder allein, mit passgenauer UnterstĂŒtzung, die sich nach den BedĂŒrfnissen des Einzelnen richtet. Es bedeutet auch, Zugang zu haben zu Bildung und BeschĂ€ftigung sowie zum sozialen und kulturellen Leben in der Gemeinde. Das heiĂt, Wahlmöglichkeiten zu haben und in WĂŒrde zu leben.â
(s. Maas, Theodorus 2007, Vorwort, in: Maas, Theodorus u. a. Community Living â Bausteine fĂŒr eine BĂŒrgergesellschaft, alsterdorf verlag 2007, Hamburg, S. 3)
Der Kongress will all diesen Aspekten den nötigen Raum geben, um die Community als solche, das Gemeinwesen und seine Beschaffenheit in den Blick zu nehmen. Das Ziel besteht darin, AnsĂ€tze zu entwickeln, die das gute Zusammenleben aller BĂŒrger und BĂŒrgerinnen mit und ohne BeeintrĂ€chtigung in der Gemeinde nachhaltig ermöglicht.