Januar 1987
Erste gemeinsame Sitzung Gesamtvorstand und Heimleitungen
Am 8. Januar 1987 findet die erste gemeinsame Sitzung von Gesamtvorstand, Pastor Rudi Mondry, Personalvorstand Heine, Finanzvorstand Jochim Wittern, zusammen mit den Heimleitungen statt. Es werden fĂŒr das Jahr 1987 vierteljĂ€hrliche, zweistĂŒndige Treffen vereinbart und konkrete Termine festgelegt.
Notiz: Im Dezember 1984 wurden die Leitungen des Erziehungs- und Pflegebereiches umbenannt in Heimleitungen.
âDezentralisierungâ
Das SchlĂŒsselwort âDezentralisierungâ besteht aus den folgenden Regelungen:
- âEine Projektgruppe wird von Herrn Heine eingesetzt, die Detailfragen klĂ€ren und die Form der Dezentralisierung erarbeiten wird.
- Wenn die neue EDV-Anlage installiert ist, wird es möglich sein, differenzierte SOLL- IST-Vergleiche in der Budgetverwaltung herzustellen.
- Besonders problematisch ist die Beschaffung von Planungsvorgaben. Den Nachweis der Kosten fĂŒr jedes Heim pro Kostenstelle könnten im Rahmen der Dezentralisierungsplanungen die Heimleiter erbringen.
- Die Heimleiter bekommen den Wirtschaftsplan des gesamten WohnstĂ€ttenbereiches zur Information ausgehĂ€ndigt.â (ebd.)
âĂltester Arbeitszweig der Stiftung wird eingestelltâ
Mit dieser Ăberschrift berichtet der Umbruch:
âIn aller Stille haben die Alsterdorfer am 1. Januar 1987 von ihrem Ă€ltesten Arbeitszweig Abschied genommen, dem sie sich zuletzt im Haus âAlstertalâ fast 50 Jahre gewidmet haben: der Betreuung schwer erziehbarer und verhaltensgestörter Kinder. Mit Beginn dieses Jahres ist der Vertrag mit dem Amt fĂŒr Jugend ausgelaufen. Im Zuge einer geĂ€nderten Politik verzichtet die Behörde immer mehr auf die Unterbringung in Heimen.â
(s. AF [VerfasserkĂŒrzel], Alstertaler Arbeit lĂ€uft aus. Abschied von einer langen Tradition, in: Alsterdorfer Anstalten [Hg.], Umbruch. Mitarbeiter-Zeitschrift der Alsterdorfer Anstalten Nr. 1/Januar 1987, ArESA, Hamburg, Titelseite)
MĂ€rz 1987
Rahmenkonzeption fĂŒr die Lebensbegleitung behinderter Menschen in den WohnstĂ€tten der Stiftung Alsterdorf
Die von Sigrid JĂŒrgensen, Leitung der Abteilung Zentrale Planung, vorgelegte Rahmenkonzeption beschreibt auf ĂŒber zwanzig Seiten eine Neuausrichtung der Leistungserbringung in der Eingliederungshilfe, realisiert in den Heimbereichen der Alsterdorfer Anstalten:
â[âŠ] die Rahmenkonzeption fĂŒr die Lebensgestaltung und Begleitung behinderter Menschen versteht sich als eine Zusammenschau von Orientierungen, Empfehlungen und Richtlinien. Diese leiten sich ab aus BedĂŒrfnissen und Rechten, die fĂŒr alle Menschen gelten, berĂŒcksichtigen jedoch die erschwerenden LebensumstĂ€nde, denen Menschen mit geistig- und mehrfach Behinderungen bei ihrer AlltagsbewĂ€ltigung begegnen [âŠ]. Allen Personen, die verantwortlich die Lebensbedingungen der Alsterdorfer Bewohner mitgestalten und beeinflussen, sei der folgende Leitfaden verbindlich.â
(s. JĂŒrgensen, Sigrid Dr. 1987, Rahmenkonzeption fĂŒr die Lebensbegleitung behinderter Menschen in den WohnstĂ€tten der Stiftung Alsterdorf, ArESA DV 265, Hamburg, S. 4)
April 1987
Neue Wohnanlage Schnelsen
Die neue WohnstĂ€tte in der HeidlohstraĂe, Schnelsen verfĂŒgt ĂŒber 16 Appartements fĂŒr jeweils zwei Personen.
âDarĂŒber hinaus gibt es GemeinschaftsrĂ€ume mit integrierter KĂŒche, HobbyrĂ€ume sowie eine WaschkĂŒche [âŠ]. Insgesamt 33 Frauen und MĂ€nner, unter ihnen acht Paare, leben in dem neuen Haus. 25 von ihnen kommen aus den verschiedenen Alsterdorfer Wohngruppen [âŠ]. Zusammen mit Dieter Kiesow arbeiten 12 Mitarbeiter in der neuen Wohnanlage sowie der angeschlossenen Wohngruppe Burgwedel. Auch fĂŒr sie bringt die Arbeit in Schnelsen eine Reihe neuer Erfahrungen. âHier steht nicht mehr die Gruppe im Vordergrund, sondern der einzelne Bewohner mit seinen WĂŒnschen und BedĂŒrfnissenâ, so Dieter Kiesow.â
(s. o. N. 1987, Schnelsen setzt neue MaĂstĂ€be. 33 behinderte Menschen freuen sich ĂŒber ihr neues Zuhause, in: Alsterdorfer Anstalten [Hg.], Umbruch. Mitarbeiter-Zeitschrift der Alsterdorfer Anstalten Nr. 4/April 1987, ArESA, Hamburg, Titelseite)
Mai 1987
âZukĂŒnftiger Wohnraumbedarf der Alsterdorfer Anstalten im Stadtgebiet Hamburgâ
Sigrid JĂŒrgensen legt ein umfangreiches Papier vor zu zukĂŒnftigen Bedarfen (mittelfristige Planung bis 1992) fĂŒr Wohnraum im Hamburger Stadtgebiet bei mittelfristigem Abbau bis auf +/â 600 WohnplĂ€tze auf dem Alsterdorfer GelĂ€nde, ergĂ€nzt um einen aktuellen statistischen Ăberblick. Die Gesamtzahl der PlĂ€tze in den Wohnbereichen einschlieĂlich Wohnbereich Alstertal belĂ€uft sich auf ein Kontingent von 1.238 PlĂ€tzen. Diese Zahl teilt sich wie folgt auf:
a. GelÀnde: 767 [PlÀtze]
b. Nachbarschaft des GelÀndes: 89 [PlÀtze]
c. Stadtgebiet Hamburg: 254 [PlÀtze]
d. AuĂerhalb Hamburg (Schleswig-Holst., Niedersachsen): 128 [PlĂ€tze]
(s. JĂŒrgensen, Sigrid Dr. 1987, ZukĂŒnftiger Wohnraumbedarf der Alsterdorfer Anstalten im Stadtgebiet Hamburg. Planungspapier 5/1987, ArESA DV 265, Hamburg, S. 5)
August 1987
Wohin mit der Schlumper Kreativ- und Malwerkstatt
Mit Schreiben vom 13. August 1987 wendet sich der Verein Freunde der Schlumper an den Vorstand. Die Bitte und Anfrage bezieht sich darauf, ob der KĂŒnstlerkeller, in dem derzeit 27 MĂ€nner und Frauen mit Behinderung arbeiten, die entweder auĂerhalb oder im Stadthaus Schlump leben, in den Werkstattbereich einbezogen werden kann. Aktuell ist die Kreativ-Werkstatt finanziell nicht abgesichert.
Notiz: âDer Versuch, âDie Schlumperâ in den Werkstattbereich einzufĂŒgen, scheiterte. [âŠ] 2002 gelang es, die Zukunft der ArbeitsplĂ€tze der Schlumper langfristig abzusichern [âŠ]. Die TrĂ€gerschaft des Projektes âSchlumper von Berufâ [âŠ] wurde mit einer entsprechenden Vereinbarung dem Bereich alsterarbeit und der spĂ€teren alsterarbeit gGmbH ĂŒbertragen.â
Die Alsterdorfer Behindertenhilfe ist grundsÀtzlich Eingliederungshilfe gem. § 39 BSHG
In einem Ergebnisprotokoll des Vorstands wird nach kurzer Erörterung der Frage Eingliederungshilfe versus Hilfe zur Pflege folgender Beschluss gefasst:
âGrundsĂ€tzlich wird in Alsterdorf Eingliederungshilfe gewĂ€hrt und entsprechend eine Einstufung nach § 39 (BSHG). Nur in begrĂŒndeten AusnahmefĂ€llen wird nach § 68 (BSHG) eingestuft. Der BeschluĂ ist den Heimleitungen bekanntzugeben und in einem GesprĂ€ch der Behörde mitzuteilen.â
(s. Protokoll. Vorstandssitzung mit Vertretern des Stiftungsrates vom 27.08.1987, ArESA DV 309, Hamburg)
Das Buch âAuf dieser schiefen Ebene gibt es kein Halten mehrâ wird gedruckt und veröffentlicht
In einer Vorstandssitzung mit Stiftungsratsvertretern wird am 27. August 1987 entschieden und protokolliert:
ââAuf dieser schiefen Ebene gibt es kein Halten mehrâ. Die Alsterdorfer Anstalten in der NS-Zeit: 1.600 Exemplare plus 400 (ungebunden) werden gedruckt. Subscription fĂŒr Alsterdorfer Mitarbeiter bis 31.10. (im âUmbruchâ bekanntzugeben). Verkauf in Alsterdorf an der Kasse.â
(s. Protokoll. Vorstandssitzung mit Vertretern des Stiftungsrats vom 27.08.1987, ArESA DV 309, Hamburg)
Mit dieser nĂŒchternen Protokollnotiz kommt es zur Veröffentlichung einer Arbeit von Michael Wunder, Ingrid Genkel und Harald Jenner. Die Autoren haben je aus ihrer Sicht die Geschichte der Alsterdorfer Anstalten im Nationalsozialismus aufgearbeitet. Im Vordergrund stehen dabei die Schicksale der Opfer: Menschen mit Behinderung, deren Lebens- und Leidensweg zum Teil bis in die Tötungsanstalten verfolgt wird.
Interview mit Dr. Michael Wunder
September 1987
Ausbau des Förderbereiches
Der fĂŒr die Anstalten zustĂ€ndige Mitarbeiter des Amtes fĂŒr Rehabilitation in der Behörde fĂŒr Arbeit, Jugend und Soziales (BAJS), Henning, macht den Vorschlag zu einem gemeinsamen GesprĂ€ch zwischen ihm und dem verhandlungsbevollmĂ€chtigten Vertreter der Alsterdorfer Anstalten. Ziel des GesprĂ€ches soll eine neue Konzeption fĂŒr den Förderbereich sein, die Erörterung der Frage nach der Errichtung einer TagesförderstĂ€tte und nach der Ablösung vom Heimpflegesatz.
Aufnahme von Patientinnen und Patienten des Allgemeinen Krankenhauses Ochsenzoll
Herr Hennings erlÀutert seine Sicht in Bezug auf die Aufnahme psychisch Langzeitkranker in die Alsterdorfer Anstalten:
âHerr Hennings [âŠ] meldet konzeptionelle und fachliche Bedenken gegen die Aufnahme von Patienten des AKO [Allgemeines Krankenhaus Ochsenzoll]an, das seine psychiatrischen Stationen z. Z. aus gesundheitspolitischen GrĂŒnden öffnet: FĂŒr die Langzeitunterbringung psychisch Kranker stĂ€nden spezielle Einrichtungen (z. B. des Rauhen Hauses) zur VerfĂŒgung. Die A. A. [Alsterdorfer Anstalten] wĂŒrden von der BAJS indes vorrangig als Rehabilitationseinrichtung fĂŒr geistig Behinderte verstanden.â (ebd.)
Ende der ZustĂ€ndigkeit des Ărztlichen Dienstes fĂŒr Entwicklungsberichte
Im GesprÀch mit den Vertretern aus der BAJS wird mitgeteilt,
âdaĂ [âŠ] jetzt nicht mehr der hiesige Ărztliche Dienst, sondern die Heimleiter fĂŒr die Abfassung von Entwicklungsberichten zustĂ€ndig seien.â (ebd.)
Dezember 1987
Neugliederung der Behindertenhilfe in den Alsterdorfer Anstalten
In einer Sitzung mit Vorstand Pastor Rudi Mondry, Heimleitungen und Mitarbeitenden der Zentralen Planung werden das Verfahren und die Terminplanung zur Neugliederung der Behindertenhilfe besprochen.
- âDie Heimleitungen erarbeiten eine Vorlage fĂŒr den Vorstand ĂŒber die Entwicklung der Behindertenhilfe der Stiftung Alsterdorfer Anstalten in den 90er Jahren,
- bis Ende Dezember 87 âfreieâ Diskussion zur Meinungsbildung. Beratungen jeweils am Donnerstag 9.30 Uhr vor den HL-Konferenzen [Heimleiter-Konferenzen],
- Vorstrukturierung am 7.1.88 ab 9.00 h im Rahmen einer Klausurtagung, dann ab 14.00 h weiter im Rahmen der angesetzten GesprÀche mit dem Vorstand,
- Umsetzung ab Herbst 88.â
(s. Protokoll. Heimleiterkonferenz-Sitzung vom 19.11.1987, ArESA DV 606, Hamburg)
Vorstand, Heimleitungen und Förderbereichsleitung unterstĂŒtzen nachdrĂŒcklich Forderungskatalog der Mitarbeitervertretung an die BAJS
Die Mitarbeitervertretung der Alsterdorfer Anstalten ĂŒberreicht der Behörde fĂŒr Arbeit, Jugend und Soziales (BAJS) einen Forderungskatalog. Die Anstaltsleitung und die Heimleitungen unterstĂŒtzen nachdrĂŒcklich diesen Forderungskatalog durch ein zusĂ€tzliches Schreiben vom 3. Dezember 1987 an den zustĂ€ndigen Senator Jan Ehlers.
Der Katalog enthĂ€lt den Hinweis auf eine dringend erforderliche Regionalisierung und Bereitstellung zusĂ€tzlicher Planstellen, aber auch der Aufbau von Infrastruktur im Zuge der Regionalisierung von WohnstĂ€tten, verbunden mit TagesförderstĂ€tten und sozialen Netzwerken fĂŒr behinderte Menschen, wird als unabdingbar angesehen.